Ringvorlesung des WAZ im WS 2023/2024

Das Gastmahl gehört zu den elementaren kulturellen Gepflogenheiten sozialen Miteinanders. Durch das Teilen von Essen und Trinken geben sich die Menschen seit jeher ein starkes Signal freundlicher Absichten. Mit zunehmender Komplexität der Gesellschaft wurden allerdings schon in der Antike nicht nur die Sitten und Bräuche solcher Tafelrunden mitunter bis ins Extreme ausgeformt und verfeinert, so dass das Mahl zu einer veritablen Bühne avancierte. Auch wurde schon früh das Potenzial solcher komfortabler Zusammenkünfte erkannt, um in der annehmlichen Atmosphäre kulinarischer Genüsse und etwaiger Darbietungen Übereinkünfte jeder Art zu erzielen: Geschäfte, Verträge, Gespräche philosophischer Weltanschauung usw. Dabei ist aufschlussreich, wie die normativen Gestaltungselemente der Gelage einerseits zum Erleben von Gemeinschaft, andererseits zur Fixierung von Hierarchien genutzt wurden. Die Ringvorlesung wird vor allem solche Mittel der Inklusion und Exklusion in den Kreisen der sozialen Eliten in den Fokus nehmen, um über den jeweiligen Verhaltenskodex Einblicke in des Selbstverständnis der führenden Kreise zu gewinnen. Darüber hinaus sollen im interkulturellen Vergleich wiederkehrende Muster und Strategien des Bankettwesens erkennbar werden.

Essen und Trinken in Gesellschaft war immer schon mehr als reine Nahrungsaufnahme. Die Ringvorlesung beleuchtet sowohl die spezifischen Tischsitten verschiedener Kulturen der Antike als auch deren verschiedene Facetten sozialer Interaktion und Kommunikation.

Programm der WAZ-Ringvorlesung

23.10.2023 | Prof. Dr. Konrad Vössing (Bonn)
Herrscherliche Bankette der Spätantike – Symbolik, Tradition und Neuerung 

Der Vortrag möchte darstellen, in wie vielerlei Hinsicht die Bankette spätantiker Kaiser in ihrer symbolischen Kommunikation von der römischen und der griechisch-römischen Tradition geprägt waren. Die Neuerungen scheinen demgegenüber leicht zu wiegen. Allerdings gab es ab dem 4. Jahrhundert im Raum des Imperium Romanum auch herrscherliche Bankette, die den traditionellen Rahmen bewusst oder unbewusst sprengten: die der sogenannten barbarischen Eliten und ihrer Herrscher.

06.11.2023 | Prof. Dr. Ulrike Egelhauf-Gaiser (Göttingen)
Ein Haus und viele Gäste: Das Gelehrtenbankett des Athenaios als Modell des zeitgenössischen Imperiums 

Etwa 30 Gesprächsteilnehmer sind in der Schrift des Athenaios von dem Universalgelehrten Larensis zum festlichen Gastmahl in die Reichshauptstadt Rom geladen.
Imperiale Dimensionen erhält das fiktive Gastmahl zum einen durch die Gäste, die (fast) ausnahmslos aus griechisch geprägten Kulturmetropolen der östlichen Reichshälfte stammen und ihre jeweilige Bildungsheimat in die Gesprächsrunden einbringen. Aus allen Ecken und Enden des römischen Reichs kommen zudem die servierten Speisen und Weine, von denen dann jeweils die einzelnen Gesprächseinheiten ihren Ausgang nehmen. In Gestalt eines enzyklopädischem Kaleidoskops stellt somit die Schrift des Athenaios altbekannte wie maximal entlegene Informa-tionen zur imperialen Gastmahlskultur in mundfertigen Portionen bereit. Gelegentlich werden diese (im doppelten Sinn) erlesenen Appetithappen zu unterhaltenden Kurzerzählungen ausgeschmückt und den Gästen respektive Lesern als „literarische Delikatessen“ präsentiert.
An anschaulichen Fallbeispielen möchte der Vortrag das Zusammenspiel von Reichsausdehnung, imperialer Bankettkultur und innovativer Gastmahlsliteratur ausleuchten und so allen interessierten Gourmands und Gourmets einen kaum bekannten Text schmackhaft machen.

20.11.2023 | Prof. Dr. Jochen Griesbach-Scriba (Würzburg)
Kommensalität von Peergroups im ‚klassischen‘ Altertum. Schrift- und Bildquellen im Vergleich

Das Gastmahl bildete inoffiziell wohl das wichtigste Soziotop des (klassischen) Altertums und das ungebrochen seit der frühgriechischen Zeit bis in die Spätantike. Hier war man weitgehend unter sich – ob bei Trimalchio oder im Festzelt Alexanders des Großen – und konnte sich dessen bei allerlei Formen der Unterhaltung ausgiebig versichern. Besonders bemerkenswert am sozialen Kontext des Symposion ist dabei das vordergründig ungezwungene Beisammensein, das dann aber doch in erstaunlich vielen Facetten normative Erwartungen enthält; an den Gastgeber genauso wie an seine Gäste und ihr gegenseitiges Verhalten. Gegenstand des Vortrags wird daher sein, wie sich die Akzentsetzungen, worauf es bei einem (gelungenen) Gelage ankam, mit der Zeit verändert haben. Dabei erscheint es mir wichtig, literarische und bildliche Zeugnisse – unter Berücksichtigung der materiellen Überlieferung – gesondert zu analysieren und erst dann im Vergleich miteinander zu betrachten, um die Darstellungen konvivialer Zusammenkünfte auf ihre medialen Abhängigkeiten zu prüfen und die entscheidenden Schnittmengen herauszufiltern.

04.12.2023 | Dr. Mark Darling (Oxford/Würzburg)
The banquet in Celtic tradition 

Wie in anderen antiken und modernen Kulturen war das gemeinsame Essen ein wichtiger Aspekt der keltischen Kulturen in Westeuropa, und zwar sowohl im Altertum als auch im frühen Mittelalter. Im Mittelalter wird dies am deutlichsten durch die Verweise im frühen irischen Recht auf die Speisen, auf die Mitglieder verschiedener sozialer Klassen Anspruch hatten, wenn sie im Haus eines anderen speisten, und durch die Vorschriften im mittelalterlichen walisischen Recht darüber, wo Menschen verschiedener sozialer Ränge bei einem Festmahl Platz nehmen sollten, belegt. Die Belege für die Festtagskultur der Kelten in der Antike sind dünner gesät und schwieriger zu interpretieren, da wir – im Gegensatz zu den klassischen Kulturen Griechenlands und Roms und den mittelalterlichen keltischen Kulturen – keine Beschreibungen aus erster Hand über die Festtagspraktiken in der keltischen Welt haben. Vielmehr sind wir auf Beschreibungen griechischer und römischer Quellen – vor allem auf die Fragmente der Schriften des griechischen Stoikers Poseidonius – und auf archäologische Belege für Festmahlpraktiken in der keltischen Antike angewiesen. In diesem Vortrag werde ich einen Überblick darüber geben, was wir über die Praxis des Festmahls in den keltischen Kulturen des Mittelalters wissen, was wir daraus über die Praktiken der Kelten in der Antike ableiten können und ob es möglicherweise signifikante gemeinsame gibt, die die Festmahlkultur der Kelten von der Antike bis zum Mittelalter verbinden und auf die Kontinuität einer wahrhaft keltischen Festmahlkultur während dieser Zeit hinweisen.

18.12.2023 | JProf. Dr. Martin Gruber | Dr. James Burgin (Würzburg)
Trinkkultur, Staatsraison und Götterkult im Reich der Hethiter 

Hethitische Festrituale waren nicht nur aufwendige Zeremonien zu Ehren der Götter, sondern legen Zeugnis ab von einer komplexen Kultverwaltung und von ihrer zentralen Bedeutung für die Demonstration der Machtordnung im hethitischen Reich. Sie boten den lokalen Eliten Gelegenheit, Geschenke vom König zu erhalten und an gemeinsamen Banketten und Trinkzeremonien teilzunehmen. Dazu wurden speziell geformte oder verzierte Keramikgefäße verwendet, die sowohl in Texten erwähnt werden als auch im archäologischen Befund erhalten sind. Solche speziellen Gefäße bieten die Möglichkeit, den archäologisch überlieferten Realien hinter den Festritualen nachzuspüren und darüber hinaus zu der in der Hethiterforschung schwer greifbaren Kongruenz textlicher und archäologischer Quellen beizutragen.

15.01.2024 | Prof. Dr. Hans Bernsdorff (Frankfurt)
Vom Trinken des Weines und der Liebe – Das archaische Symposion als Gegenstand und Aufführungsort frühgriechischer Dichtung 

Monumente aus der Welt des Totenkults prägen das Bild des Alten Ägypten – und zweifellos bildeten Tod, Bestattung und Grabkult ein zentrales Feld der rituellen Praxis. Entscheidend ist es, diese Sphäre der „funerären Kultur“ in ihrem umfassenden sozialen und kulturellen Kontext zu verstehen. Dies kann exemplarisch in der Konzentration auf das konkrete historische und soziale Milieu des Gebiets von Aswân im 3. Jahrtausend v.Chr. geschehen. Eine ungewöhnlich dichte archäologische Überlieferung, insbesondere aus den beiden Gräberfeldern der alten Provinzstadt Elephantine, auf der Insel und am Felshang der Qubbet el-Hawa, bezeugt die Räume, Gegenstände und Praktiken des Totenkults in der ganzen Breite der lokalen Gemeinschaft. Hier wird sichtbar, wie in den Formaten des Totenkults grundlegende soziale Formationen dargestellt, Strukturen und Werte ausgehandelt und Medien der Kommunikation und Repräsentation entwickelt wurden, die für die Konstitution der altägyptischen Gesellschaft insgesamt prägend waren.

29.01.2024 | Prof. Dr. Kai Brodersen (Erfurt)
Sieben Tage Gelage: Der hellenistische König und die Übersetzer der Bibel

Der sogenannte Aristeasbrief präsentiert sich als Bericht über die Umstände der Übersetzung der hebräischen Bibel ins Griechische: 72 jüdische Gelehrte hätten auf Einladung des hellenistischen Königs Ptolemaios (wohl Ptolemaios II. Philadelphos, 285-246 v.Chr.) an dessen Hof in Alexandria (Ägypten) den heiligen Text übertragen; nach der Zahl der Übersetzer nennt man das Ergebnis ihrer Arbeit noch heute meist „Septuaginta“. Im Zentrum des Aristeas-Texts steht ein siebentägiges Gelage am Hof des Königs, der jedem seiner 72 Gäste eine philosophische Frage stellt und immer eine kluge Antwort erhält, welche die Überlegenheit der jüdischen Tradition  belegt. Der Text kann so einen originellen Blick in die Macht des Gelages in der Antike beim „interkulturellen Diskurs“ ermöglichen.

Veranstaltungsdetails:
Die Ringvorlesung beginnt am 23. Oktober 2023 und findet jeweils montags um 18.15 Uhr im Toscanasaal der Residenz Würzburg (Südflügel, Residenzplatz 2, Tor A) statt.
Universität Würzburg, Würzburger Altertumswissenschaftliches Zentrum

Die Online-Teilnahme ist ebenfalls möglich:
https://uni-wuerzburg.zoom.us/j/69028577090
(Meeting-ID: 690 2857 7090)